Das chronische Fatigue-Syndrom erklärt

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Bist du ohne dich anzustrengen oft unverhältnismäßig müde oder erschöpft? Kannst du diese Erschöpfung nicht durch Ruhephasen oder Schlaf mildern? Dann leidest du womöglich unter typischen Symptomen der sogenannten Fatigue. Kommen neben der Müdigkeit und Erschöpfung sogar noch andere Symptome hinzu und bestehen diese länger als sechs Monate, wird von einer Myalgischen Enzephalomyelitis (ME) oder dem chronischen Fatigue-Syndrom (CFS) gesprochen. Es handelt sich dabei um eine wenig bekannte, aber dennoch belastende Erkrankung. Dieser Beitrag klärt dich daher über das chronische Fatigue-Syndrom und die Abgrenzung zur Fatigue auf und gibt dir einen Einblick in ME/CFS als mögliches Symptom von Long Covid.
Info: Andere Begriffe für das chronische Fatigue-Syndrom sind chronisches Erschöpfungssyndrom und ME/CFS, wobei ME dabei für Myalgische Enzephalomyelitis steht. Der Einfachheit halber wird in diesem Beitrag die Bezeichnung chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS) verwendet.

Allgemeines Krankheitsbild

ME/CFS ist eine schwere neuroimmunologische Erkrankung, die oft nach einer Infektion auftritt. Sie führt zu einer erheblichen körperlichen Behinderung und beeinträchtigt die Belastungsfähigkeit der Betroffenen stark. Für Menschen mit ME/CFS kann es schwierig bis unmöglich sein, alltägliche Aktivitäten (z.B. Kochen, Hausarbeiten oder soziale Interaktionen) auszuführen, die für gesunde Menschen problemlos möglich wären. Weltweit sind etwa 17 Millionen Menschen von ME/CFS betroffen, allein in der Schweiz wurden vor der COVID-19-Pandemie zwischen 16.000 und 24.000 Betroffene geschätzt. ME/CFS wird seit den 1970er Jahren von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als eigenständige Erkrankung angesehen.
Beachte: ME/CFS ist nicht mit dem Symptom Fatigue zu verwechseln, denn es handelt sich hierbei um zwei unterschiedliche Diagnosen. Fatigue kommt aus dem Französischen und heißt übersetzt Müdigkeit, Ermüdung, Abgeschlagenheit oder Erschöpfung. Es ist ein typisches Begleitsymptom vieler chronisch-entzündlicher Erkrankungen wie Multipler Sklerose, Rheuma oder Parkinson. Durch die Verwechslung des Symptoms der Fatigue mit dem CF-Syndrom wurden zahlreiche Menschen, die an ME/CFS leiden, sowohl im medizinischen als auch im sozialen Umfeld stigmatisiert. Die Verwendung des reinen Fatigue-Begriffs führt nämlich zu einer Verharmlosung der Symptome als bloße Müdigkeit und Erschöpfung und erfasst nicht die komplexe Symptomatik und die tatsächliche Schwere der Krankheit ME/CFS.

Symptomatik

Die Symptome von ME/CFS sind vielfältig und betreffen verschiedene Körpersysteme. Von dem chronischen Fatigue-Syndrom ist die Rede, sobald die Symptome länger als sechs Monate bestehen und zusätzlich zur Müdigkeit und Erschöpfung weitere Symptome (siehe unten) hinzukommen. Die Beschreibung der Symptomatik orientiert sich an den Kanadischen Konsenskriterien für Kliniker (Stand 2005) und dem Bericht des Institute of Medicine (Stand 2015). Zu den Kernsymptomen von ME/CFS gehören die sogenannte Post-Exertional Malaise (PEM) und Fatigue:
  • PEM ist dabei das Leitsymptom und beschreibt eine unverhältnismäßige Zustandsverschlechterung nach körperlicher oder geistiger Aktivität. Schon geringe Anstrengungen, wie der Gang zur Toilette oder ein kurzer Spaziergang, können bei Betroffenen zu einem „Zusammenbruch” führen, begleitet von grippeähnlichen Symptomen, Muskelschmerzen, Konzentrationsschwierigkeiten, Schwindel und extremer Erschöpfung.
  • Fatigue ist eine krankhafte Erschöpfung, die über das normale Maß hinausgeht und in einem erheblichen spontanen Energiemangel resultiert. Die Erschöpfung kann so stark sein, dass selbst einfache alltägliche Handlungen wie das Wechseln der Kleidung oder Sprechen anstrengend sind. Ruhephasen und Schlaf bringen oft keine Linderung.
Darüber hinaus macht sich die ME/CFS in anderen Systemen des Körpers bemerkbar:
  • Autonome bzw. orthostatische Symptome zeigen sich in Form von Orthostatischer Intoleranz (OI), was bedeutet, dass der Körper Schwierigkeiten hat, den Kreislauf bei aufrechter Position angemessen zu regulieren. Dies äußert sich in Symptomen wie Schwäche, Schwindel, Herzrasen, Atemnot, Darm- und Blasenstörungen sowie extremer Blässe.
  • Neurologische bzw. kognitive Symptome umfassen Konzentrationsstörungen, Wortfindungsstörungen, Merkstörungen und den charakteristischen Brain Fog. Hierbei beschreiben Betroffene, dass ihr Gehirn wie vernebelt wirkt und sie kaum klar denken können. Auch Bewegungskoordinationsstörungen, Wahrnehmungs- und Sinnesstörungen sowie Muskelschwäche und Muskelzuckungen können auftreten.
  • Neuroendokrines Symptome äußern sich in gestörter Anpassung der Körpertemperatur, Schwitzen, fiebrigem Gefühl sowie schlechter Verträglichkeit von Hitze und Kälte. Zudem wird Stress oft schlechter verarbeitet.
  • Immunologische Symptome umfassen schmerzhafte Lymphknoten, wiederkehrende Halsschmerzen, neue Allergien und grippeähnliche Symptome. Betroffene berichten oft von Unverträglichkeiten gegenüber bestimmten Nahrungsmitteln, Medikamenten oder Chemikalien.
Beachte: Die Symptome von ME/CFS können vielschichtig und belastend sein. Es ist wichtig zu beachten, dass nicht jede:r Betroffene alle aufgeführten Symptome haben muss, und die Ausprägung sowie Intensität der Beschwerden individuell variieren können. Diese Aufzählung erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Darüber hinaus ist es besonders wichtig zu betonen, dass eine Diagnose von ME/CFS nur von einer ärztlichen Fachperson gestellt werden kann.

Diagnose

Da es keine spezifische medizinische Testung für ME/CFS gibt, erfolgt die Diagnose oft anhand einer sorgfältigen Anamnese und dem Ausschluss anderer möglicher Ursachen für die Symptome. Die Erkrankung ist trotz ihrer Schwere in der Öffentlichkeit und unter Ärzt:innen nicht wirklich bekannt.

Behandlung

ME/CFS ist zurzeit noch nicht heilbar und es gibt derzeit keinen einheitlichen Therapieansatz. Die Behandlung von ME/CFS konzentriert sich daher auf die Linderung der Symptome und die Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen. Hierbei ist ausschlaggebend, dass die Belastungs- oder Aktivitätsgrenzen nicht zu stark oder zu oft überschritten werden, weil dies schwere und lang andauernde Rückfälle auslösen kann.

Exkurs: ME/CFS als Symptom von Long Covid

Nach einer Infektion mit Covid-19 kann eine bleierne Müdigkeit und Erschöpfung, bekannt als Fatigue, weiterhin bestehen bleiben und zu einem chronischen Fatigue-Syndrom führen – eines der schwersten Symptome von Long Covid. Dieses Syndrom zeigt sich durch langanhaltende Beschwerden wie Müdigkeit, Muskelschmerzen, kognitive Einschränkungen und Schlafstörungen, die länger als vier Wochen andauern können. Eine Studie der Charité und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein untersuchte 1.000 Menschen, die in der Vergangenheit an Covid-19 erkrankt waren, sowie 1.000 Menschen, die keine SARS-CoV-2-Infektion hatten. Es stellte sich heraus, dass 19 % der ehemals Infizierten ein chronisches Fatigue-Syndrom entwickelten, während es in der Vergleichsgruppe nur 8 % waren. Besonders betroffen sind hiernach jüngere Frauen zwischen 18 und 24 Jahren. Charakteristisch für ME/CFS ist die Belastungsintoleranz, wodurch sich die Symptome nach Anstrengung verschlimmern und zu sogenannten "Zusammenbrüchen" führen können.

In diesem Beitrag hast du einen umfassenden Einblick in die neuroimmunologische Erkrankung ME/CFS erhalten. Wenn du wissen möchtest, wie du einen förderlichen Umgang mit ME/CFS für Betroffene am Arbeitsplatz entwickeln kannst oder nach Möglichkeiten der Unterstützung für dich selbst suchst, wirf gerne einen Blick in die entsprechenden Beiträge. Solltest du weitere Fragen haben oder Unterstützung benötigen, stehen dir die hier hinterlegten Ansprechpersonen gerne zur Verfügung – auf Wunsch auch anonym.
Dieser Artikel wurde von Evermood erstellt und zuletzt am aktualisiert.